Belgien – Mehr als 25 faszinierende Fakten über Kultur, Politik & Alltag

Belgien ist ein Land, das trotz seiner kleinen Fläche erstaunlich viele Geschichten erzählt – von weltberühmter Schokolade und Comics über komplexe Politik bis zu gelebter Mehrsprachigkeit. Hier treffen mittelalterliche Schlösser und moderne EU-Institutionen aufeinander, hier prägen kulinarische Klassiker wie Pommes frites und Pralinen ebenso die Identität wie Debatten um Sprache und Geschichte. Belgien ist zugleich Schlachtfeld europäischer Vergangenheit, kultureller Hotspot und politisches Zentrum. In diesem Artikel erwarten dich mehr als 25 faszinierende Fakten über Kultur, Politik und Alltag – ein Blick hinter die Kulissen eines Landes, das weit mehr ist als nur Brüssel.


1 – Die Enklavenstadt: Europas verrücktestes Grenzlabyrinth

Mitten in Europa liegt eine der kompliziertesten und skurrilsten Grenzen der Welt: die Stadt Baarle, die zwischen Belgien und den Niederlanden geteilt ist. Baarle-Hertog gehört zu Belgien, besteht aber aus 22 Enklaven, die verstreut mitten in den Niederlanden liegen. Gleichzeitig gibt es darin acht niederländische Enklaven – Baarle-Nassau –, von denen einige sogar winzige belgische Enklaven in ihrem Inneren enthalten!
Das Ergebnis ist einzigartig: Weiße Linien auf Bürgersteigen und vor Haustüren markieren exakt, wo Belgien endet und die Niederlande beginnen. Ein Haus kann sein Wohnzimmer in Holland und die Küche in Belgien haben, ein Café wechselt seine „Nationalität“, sobald man den Tisch ein paar Schritte verschiebt.
Das Kurioseste: Die Nationalität eines Hauses wird durch die Lage der Haustür bestimmt. Liegt sie auf belgischer Seite, gilt es als belgisch – liegt sie auf niederländischer Seite, ist es niederländisch. Deshalb tragen manche Häuser zwei Postadressen und zwei Flaggen.
So wurde Baarle zu einem Symbol für eine der bizarrsten geografisch-politischen Realitäten weltweit, wo Grenzen nicht auf Karten existieren, sondern mitten durch Häuser, Cafés und Straßen verlaufen.

Zwei Tische in einem Straßencafé in Baarle, getrennt durch eine weiße Grenzlinie auf dem Boden mit den Markierungen „B“ und „NL“. Ein Mann und eine Frau sitzen an getrennten Tischen auf jeweils einer Seite der Grenze, lachen und zeigen auf die Linie, während ein Kellner im Hintergrund verwundert schaut.


2 – Belgische Schokolade: Wie Brüssels Pralinen die Welt eroberten

Als Jean Neuhaus 1912 in Brüssel die erste gefüllte Praline erfand, ahnte er nicht, dass er damit eine weltweite Revolution in der Süßwarenkunst auslöste. Aus dieser simplen Idee wurde ein belgisches Markenzeichen, das heute für Raffinesse, Vielfalt und edle Verpackung steht.
Belgien produziert jährlich Hunderttausende Tonnen Schokolade – in manchen Jahren bis zu einer halben Million –, von denen der Großteil exportiert wird. Über 2.000 Chocolatiers gibt es im Land, von internationalen Marken wie Godiva, Leonidas und Neuhaus bis hin zu kleinen Werkstätten, die ihre Geheimrezepte bewahren.

Ein Foto zeigt zwei Touristen, die vor dem Schaufenster eines Schokoladengeschäfts namens „Maison du Chocolat“ in Brüssel stehen. Im Schaufenster sind kunstvoll präsentierte belgische Pralinen zu sehen, daneben ein kleines Schokoladentaxi mit der Aufschrift „CHOCOLATE“. Die Szene spielt sich auf einer gepflasterten Altstadtstraße bei Tageslicht ab.


3 – Brüssel: Europas Comic-Hauptstadt

Wenn Paris die „Stadt des Lichts“ ist, dann ist Brüssel zweifellos die Hauptstadt des Comics. Hier entstand der Reporter Tim und Struppi aus der Feder von Hergé, ebenso die kleinen blauen Schlümpfe, die längst Weltruhm genießen.
Doch die Magie bleibt nicht auf den Seiten der Bücher: Seit 1991 hat Brüssel ein einzigartiges Projekt gestartet – ganze Hausfassaden werden mit Comic-Kunstwerken bemalt. Heute führt der „Comic Strip Walk“ durch 19 Stadtviertel, wo über 50 monumentale Wandbilder die Straßen schmücken. Besucher begegnen Tim, der aus einem Fenster springt, oder den Schlümpfen, die fröhlich von einer Häuserwand lachen – und erleben Brüssel als riesiges Freiluftmuseum für gezeichnete Helden.

Ein hochauflösendes Foto zeigt den berühmten Schlümpfe-Deckenmalerei-Passage in Brüssel. Touristen blicken nach oben und fotografieren die Comicfiguren, während ein Kind mit ausgestrecktem Arm auf die blauen Schlümpfe deutet. Der überdachte Gang ist von Steinbögen und Glasfassaden gesäumt.


4 – Ein kleines Viertel kontrolliert 80 % des Weltdiamantenhandels

Seit über 500 Jahren gilt Antwerpen als „Welthauptstadt der Diamanten“. Im nur einen Quadratkilometer großen Diamantenviertel werden rund 80 % aller Rohdiamanten der Welt gehandelt. Über 1.500 Firmen, vier offizielle Börsen und Hunderte Werkstätten sorgen dafür, dass die wertvollen Steine geschliffen, sortiert und zertifiziert werden, bevor sie auf die internationalen Märkte gelangen.
Doch die Dominanz Antwerpens ist nicht mehr unangefochten: Sanktionen gegen russische Diamanten, neue Konkurrenten wie Dubai oder Indien und der Aufstieg von Labordiamanten haben das Geschäft zuletzt geschwächt. Dennoch bleibt Antwerpen ein Symbol für Vertrauen und Tradition im globalen Diamantenhandel.

Ein hochauflösendes Foto zeigt die Detailarbeit in einer Antwerpener Diamantwerkstatt. Im Vordergrund hält ein Juwelier mit einer Pinzette einen geschliffenen Diamanten, während ein zweiter Arbeiter im Hintergrund einen Stein unter dem Mikroskop untersucht. Auf dem Holztisch liegen Poliergeräte, Lupen und kleine Behälter mit Rohdiamanten.


5 – Belgien: Europas Schlachtfeld

Trotz seiner geringen Größe trägt Belgien seit Jahrhunderten den Beinamen „Schlachtfeld Europas“. Hier endete 1815 bei Waterloo die Ära Napoleons in einer entscheidenden Schlacht, die Europas politische Landkarte neu zeichnete. Im Ersten Weltkrieg verwandelten sich die Felder von Flandern rund um Ypern in ein Labyrinth aus Schützengräben, wo einige der grausamsten Kämpfe zwischen den Alliierten und Deutschland stattfanden. Im Zweiten Weltkrieg folgte die Ardennenoffensive (1944–45), bei der die deutsche Armee im bitterkalten Winter einen letzten Großangriff wagte – und scheiterte. Belgien war damit immer wieder Bühne für die entscheidenden Momente europäischer Geschichte.

Ein hochrealistisches Foto zeigt britische Soldaten im Ersten Weltkrieg in einem Schützengraben bei Ypern. Drei Soldaten mit Stahlhelmen und braunen Uniformen kauern im Vordergrund im Schlamm mit Gewehren, während weitere Kameraden im Hintergrund auf den Holzstegen des Grabens sitzen. Über den Sandsäcken und Stacheldraht steigt Rauch vom entfernten Artilleriefeuer in den grauen Himmel.


6 – Die Küstentram: Längste Straßenbahnstrecke der Welt

Entlang der belgischen Nordseeküste verläuft die „Kusttram“ – eine Straßenbahnlinie, die sich über 67 Kilometer von De Panne an der französischen Grenze bis Knokke-Heist nahe der Niederlande zieht. Mit über 60 Haltestellen gilt sie als längste durchgehende Straßenbahnstrecke der Welt.
Sie dient nicht nur als tägliches Transportmittel für Anwohner, sondern auch als touristische Attraktion. Die Fahrt bietet Ausblicke auf Dünen, Strände, Häfen und Ferienorte. In einer einzigen Tramfahrt kann man den gesamten belgischen Küstenstreifen erleben – ein Verkehrsmittel, das zugleich praktischer Alltag und malerische Entdeckungstour ist.

Ein fotorealistisches Bild zeigt den Küstentram von Belgien, der parallel zum Strand der Nordsee fährt. Sanddünen mit Gras umgeben die Schienen, während Fußgänger und Radfahrer auf den Wegen unterwegs sind. Eine belgische Fahne weht im Wind.


7 – Belgien: Ein Staat aus der Londoner Konferenz geboren

Im August 1830 erhob sich Brüssel gegen die Vereinigten Niederlande, die nach dem Wiener Kongress Nord und Süd unter einer Krone vereint hatten. Religiöse Spannungen zwischen katholischem Süden und protestantischem Norden, wirtschaftliche Ungleichheit und die Durchsetzung des Niederländischen als Verwaltungssprache entzündeten die Revolution. Eine provisorische Regierung rief die Unabhängigkeit aus, und am 21. Juli 1831 bestieg Leopold I. den Thron als erster König der Belgier.
Die Großmächte gaben ihren Segen: Auf der Londoner Konferenz erkannten Großbritannien, Frankreich, Russland, Preußen und Österreich den neuen Staat an. Der Londoner Vertrag von 1839 garantierte Belgiens Unabhängigkeit und ewige Neutralität – ein Status, der das kleine Land zu einem strategischen Knotenpunkt machte. Belgien wurde so nicht nur politisch souverän, sondern auch die erste industrialisierte Nation Kontinentaleuropas.

Ein fotorealistisches Bild zeigt den Londoner Konferenzsaal von 1830–1839, in dem die Unabhängigkeit Belgiens verhandelt wurde. Diplomaten aus Großbritannien, Frankreich, Preußen, Österreich und Russland sitzen um einen großen Holztisch mit grüner Decke, auf dem Karten Europas, Verträge, Federkiele und Tintenfässer liegen. Im Hintergrund prangt eine elegante Halle mit hohen Fenstern, Vorhängen und einem Kronleuchter.


8 – Wird Elisabeth die erste Königin Belgiens?

Seit der Unabhängigkeit ist Belgien eine parlamentarische Monarchie. Der König „der Belgier“ ist Symbol der Einheit, doch regieren tut er nicht allein: Gesetze benötigen stets die Mitunterzeichnung eines Ministers, was die parlamentarische Ordnung betont. Der Monarch ist zugleich Oberbefehlshaber der Armee und spielt eine zentrale Rolle bei Regierungsbildungen in dem sprachlich und politisch vielfältigen Land.
Bisher regierten sieben Könige: Leopold I., Leopold II., Albert I., Leopold III., Baudouin, Albert II. und seit 2013 Philippe. Mit der Verfassungsänderung von 1991 wurde die Thronfolge geschlechterneutral. Damit ist Prinzessin Elisabeth, die älteste Tochter von König Philippe, Anwärterin auf den Thron – und könnte eines Tages als erste Königin in Belgiens Geschichte amtieren.

Ein fotorealistisches Porträt zeigt Prinzessin Elisabeth von Belgien in einem eleganten blauen Kleid mit einer Schärpe in den Nationalfarben Schwarz–Gelb–Rot. Sie steht aufrecht in einem Saal des Königspalastes, flankiert von einer belgischen Flagge, mit Marmorwänden, goldenen Vorhängen und weichem Tageslicht im Hintergrund.


9 – Von der EU bis zur NATO: Brüssel als politisches Machtzentrum

Brüssel ist nicht nur Hauptstadt Belgiens, sondern auch Schaltzentrale Europas. Im Europaviertel sitzen die wichtigsten Institutionen: Europäische Kommission, Europäischer Rat und Rat der EU – mit zusammen rund 60.000 Beschäftigten, die das Leben von über 450 Millionen Europäern beeinflussen.
Doch die Stadt ist noch mehr: Etwa 30.000 Lobbyisten, Unternehmen, NGOs und Gewerkschaften haben hier ihre Büros – eine der höchsten Dichten weltweit. Nur wenige Kilometer entfernt steht das neue NATO-Hauptquartier, 2017 eröffnet, ein riesiger Gebäudekomplex mit über 250.000 Quadratmetern. Damit ist Brüssel nicht nur das Herz Europas, sondern auch ein globaler Knotenpunkt für Diplomatie und Sicherheit.

Ein fotorealistisches Bild zeigt das moderne NATO-Hauptquartier in Brüssel. Im Vordergrund weht eine Reihe von Nationalflaggen der Mitgliedsstaaten, während Diplomaten in Anzügen über den großen Vorplatz schreiten. Das Hauptgebäude mit seiner Glas- und Stahlarchitektur reflektiert den blauen Himmel und symbolisiert die sicherheitspolitische Bedeutung der Stadt.


10 – Vom Recht der Erwachsenen zum Recht der Kinder: Ein Gesetz sorgt weltweit für Debatten

2002 überraschte Belgien die Welt mit einem Gesetz, das aktive Sterbehilfe unter strengen Bedingungen erlaubt. Damit wurde es eines der ersten Länder, in denen unheilbar Kranke ihr Lebensende selbstbestimmt wählen dürfen – nach eingehender Prüfung durch Ärzte und Fachleute.
2014 ging Belgien noch weiter: Auch Minderjährige mit tödlichen Krankheiten dürfen seitdem unter außergewöhnlich strengen Voraussetzungen Sterbehilfe beantragen – vorausgesetzt, sie sind urteilsfähig, die Eltern stimmen zu und Ärzte bestätigen die Aussichtslosigkeit der Lage. Damit war Belgien das erste Land der Welt, das Sterbehilfe auch für Kinder öffnete.
Inzwischen haben andere Staaten ähnliche Gesetze eingeführt, doch Belgien bleibt mit seiner Pionierrolle ein globales Referenzmodell in einer der sensibelsten ethischen Fragen unserer Zeit.

Zwei Hände in einem belgischen Krankenhaus: Die faltige Hand eines älteren Patienten mit weißem Armband wird sanft von der Hand eines jüngeren Arztes gehalten. Warmes Sonnenlicht fällt durch das Fenster, der Hintergrund ist weich unscharf.


11 – Der belgische Deal: Hohe Steuern, aber nie allein gelassen

Belgien gehört zu den Ländern mit den höchsten Steuerquoten weltweit. Einkommen werden progressiv besteuert – von 25 % bis 50 % –, hinzu kommen kommunale Zuschläge. Laut OECD liegt die Steuerlast auf Arbeit bei über 52 %, was bedeutet, dass einem Single netto oft nur rund 40 % seines Bruttogehalts bleiben.
Doch die Kehrseite: Der Staat bietet dafür ein dichtes Netz sozialer Sicherheit. Hochwertige Gesundheitsversorgung, kostenlose oder fast kostenlose Bildung, großzügige Familienbeihilfen, Arbeitslosenunterstützung und solide Renten. Das System ist teuer, aber es sorgt dafür, dass Bürger in Belgien von der Wiege bis zur Bahre nie schutzlos sind – ein Tausch, den viele als gerecht empfinden.

Ein fotorealistisches Bild zeigt zwei Hände, die Euro-Banknoten auf einen Holztisch legen. Auf dem Tisch stehen Miniaturmodelle: ein Krankenhaus mit rotem Kreuz, eine kleine Schule mit der Aufschrift „École“, eine Familienfigur mit zwei Kindern und ein älterer Mann auf einer Bank – Symbole für die belgischen Sozialleistungen.


12 – Schwer im Gewicht, leicht auf der Landkarte

Belgien misst nur 30.600 Quadratkilometer, doch wirtschaftlich spielt es in einer ganz anderen Liga. Mit dem Hafen Antwerpen-Brügge verfügt das Land über den zweitgrößten Seehafen Europas, der über 800 Destinationen weltweit anläuft und Belgien zur Drehscheibe des Welthandels macht.
2023 exportierte Belgien Waren im Wert von 542 Milliarden Dollar und zählt damit regelmäßig zu den 15 größten Exportnationen der Welt. Besonders stark sind Pharmazeutika, Chemie, Maschinen und Lebensmittel.
Auch im Wohlstand spiegelt sich dieser Rang: Mit einem Pro-Kopf-BIP von über 44.000 Euro liegt Belgien im oberen Feld der EU. Ein kleines Land geografisch, doch ein wirtschaftlicher Riese im Herzen Europas.

Ein fotorealistisches Bild zeigt eine antike Messingwaage. Auf der linken Waagschale liegt eine kleine Karte Belgiens in den Farben Schwarz, Gelb und Rot. Auf der rechten Schale stapeln sich bunte Schiffscontainer, Euro-Münzen, Banknoten und ein kleines Fabrikmodell – Symbole für die Wirtschaftskraft des Landes.


13 – Belgien: Ein Land, das fast vollständig urban lebt

Belgien ist eines der am stärksten urbanisierten Länder der Welt: Rund 98 % der Bevölkerung wohnen in Städten oder Ballungsräumen. Besonders auffällig ist die „flämische Diamant-Region“ – ein dichtes Städtedreieck, das Brüssel, Antwerpen, Gent und Löwen umfasst und fast die Hälfte der Belgier beheimatet.
Das urbane Leben zeigt sich auch in der Infrastruktur: Ein enges Netz aus Zügen, Bussen und Straßenbahnen macht das Pendeln zwischen Städten und Vororten einfach. Gleichzeitig prägen historische Bauten wie gotische Rathäuser und Kathedralen das Stadtbild neben modernen Glas- und Stahlfassaden. Belgien vereint so mittelalterliche Kulisse mit zeitgenössischer Architektur in einer der kompaktesten urbanen Landschaften Europas.

Ein fotorealistisches Straßenbild in Belgien zeigt links eine gotische Kathedrale aus Stein und rechts ein modernes Glas-Hochhaus. Davor fährt ein gelb-weißer Straßenbahnzug, während Passanten in moderner Kleidung den Gehweg entlanggehen.


14 – Fast jedes Dorf hat ein Schloss

Wer durch Belgien fährt, begegnet einer Landschaft voller Burgen und Schlösser. Rund 3.000 solcher Bauwerke stehen hier – die höchste Dichte weltweit im Verhältnis zur Fläche. Manche Dörfer in den Ardennen beherbergen gleich mehrere Schlösser, sodass Burgen in Belgien fast Alltagskulisse sind.
Die Bandbreite reicht von mittelalterlichen Festungen wie der Gravensteen-Burg in Gent, die als Machtzentrum, Gefängnis und Fabrik diente, bis hin zu eleganten Residenzen wie dem Wasserschloss Annevoie oder dem neugotischen Schloss Solvay. Jede Festung erzählt ein Kapitel der wechselvollen Geschichte, in der Herzöge, Ritter und Adlige das Land prägten. Belgien ist damit ein riesiges Geschichtsbuch aus Stein.

Gravensteen Castle in Ghent mit grauen Steinmauern und Türmen, belgischen Fahnen und Besuchern, die über die Brücke vor dem Eingang gehen.


15 – Ein kleines Land, das den Preis der großen Kriege zahlte

Obwohl Belgien offiziell neutral war, wurde es im 20. Jahrhundert gleich zweimal überrollt. 1914 marschierte das deutsche Heer ein, verübte Massaker an Zivilisten und zerstörte Städte wie Löwen, dessen Universitätsbibliothek mit einzigartigen Manuskripten in Flammen aufging. Die belgische Armee stoppte die Deutschen an der Yser-Front, während Ypern 1915 Schauplatz des ersten großen Giftgaseinsatzes wurde.
1940 wiederholte sich das Drama: Nach der spektakulären Einnahme des Forts Eben-Emael durch deutsche Fallschirmjäger kapitulierte Belgien nach nur 18 Tagen. Der Streit um die Rolle von König Leopold III. führte später zur „Königsfrage“, die 1951 mit seiner Abdankung endete. Währenddessen wurde Antwerpen nach der Befreiung 1944 zwar lebenswichtiger Hafen der Alliierten, aber auch Ziel deutscher V1- und V2-Raketen. Besonders das Bombardement des Kinos Rex forderte hunderte Opfer.
Auch die jüdische Gemeinde erlitt Schreckliches: Rund 25.000 Juden wurden aus Belgien deportiert, die meisten nach Auschwitz – nur wenige überlebten. Belgien kam schwer gezeichnet aus den Kriegen, doch es stärkte seine nationale Einheit und fand eine neue Rolle im Nachkriegseuropa.

Ein historisches Foto zeigt die Zerstörung nach dem V-2-Raketenangriff auf das Rex-Kino in Antwerpen 1944. Zivilisten in Mänteln der 1940er Jahre stehen fassungslos zwischen Trümmern, während Feuerwehrleute Überlebende bergen. Schwarzer Rauch steigt aus dem teilzerstörten Gebäude mit der Aufschrift „REX“, während kaputte Autos und Schutt die Straße füllen.


16 – Die erste belgische Eisenbahn: Funke der Industrialisierung

Am 5. Mai 1835 startete in Brüssel die erste belgische Dampflok mit Passagieren nach Mechelen – eine Strecke von nur 22 Kilometern, die jedoch die Geschichte des Kontinents veränderte. Es war die Geburtsstunde der ersten kontinentalen Eisenbahnlinie Europas.
Schnell folgte der Ausbau: Innerhalb weniger Jahrzehnte entstand ein dichtes Netz von Schienen, das belgische Städte verband und das Land in ein industrielles Zentrum verwandelte. Fabriken, Häfen und Handel profitierten gleichermaßen, und Belgien wurde zur logistischen Drehscheibe des 19. Jahrhunderts.
Heute erinnern Museen wie „Train World“ in Brüssel an diesen Pioniergeist – und an den Moment, als eine kurze Fahrt nach Mechelen die Industrialisierung Europas beschleunigte.

Eine fotorealistische historische Szene zeigt die erste belgische Dampflokomotive von 1835, die mit Holz­waggons und Passagieren in Kleidung des 19. Jahrhunderts von einer Station abfährt, während Menschen mit Hüten und Schals jubelnd winken.


17 – Ein Museum, das nach Druckerschwärze riecht

In Antwerpen befindet sich das Museum Plantin-Moretus – ein einzigartiger Ort, der als einziges Druckereimuseum der Welt auf der UNESCO-Welterbeliste steht. Hier sind zwei der ältesten Druckpressen der Welt (um 1600) noch im Original erhalten.
Das Gebäude war einst Wohn- und Arbeitsstätte der Druckerfamilie Plantin-Moretus. Ein Archiv von über 1555 erhaltenen Dokumenten bietet Einblicke in Handelsnetze und Kontakte mit den führenden Denkern der Renaissance. Besucher tauchen in eine Atmosphäre ein, in der der Geruch von Druckerschwärze und das Knarren alter Böden die Geschichte lebendig machen.
Das Museum ist wie eine Zeitkapsel, die den Übergang vom handgeschriebenen Manuskript zum gedruckten Buch erzählt – und damit die Geburt des modernen Wissenszeitalters.

Ein fotorealistisches Bild zeigt die historische Druckwerkstatt im Museum Plantin-Moretus in Antwerpen. Zwei massive hölzerne Druckpressen aus dem 16. Jahrhundert stehen im Vordergrund, während im Hintergrund weitere Pressen und bleiverglaste Fenster sichtbar sind, durch die warmes Tageslicht einfällt.


18 – Spa: Die belgische Stadt, die der Welt das „Wellness“ schenkte

Das Wort „Spa“ für Kur- und Wellnessorte hat seinen Ursprung in der belgischen Stadt Spa in der Wallonie. Schon in der Römerzeit waren ihre eisenhaltigen Quellen bekannt. Ab dem Mittelalter wurde Spa zum Treffpunkt des europäischen Adels, der hier Heilung und Erholung suchte.
Im 17. Jahrhundert begann man, den Namen der Stadt als Synonym für Heilbäder zu verwenden – ein Begriff, der sich in viele Sprachen übertrug. Heute gilt Spa als Mutter aller Kurorte, wo sich historische Thermen mit modernen Wellnessangeboten verbinden.
So wurde aus einem kleinen Ort in den Ardennen ein weltweiter Begriff für Gesundheit, Entspannung und Luxus.

Ein fotorealistisches Bild zeigt die belgische Stadt Spa im 19. Jahrhundert. Im Vordergrund trinken elegante Damen in langen Kleidern und Herren im Anzug mit Zylinder am mineralischen Brunnen „Pouhon“.


19 – Belgiens Kartoffel-Imperium, das niemals untergeht

Belgien ist ein Gigant, wenn es um Kartoffeln geht: Das Land ist der weltweit größte Exporteur von tiefgefrorenen Kartoffelprodukten – allen voran die berühmten Pommes frites. Jährlich verlassen über 3,5 Millionen Tonnen die Fabriken, die in mehr als 150 Länder exportiert werden und Umsätze von über 1,5 Milliarden Euro generieren.
Dass ein so kleines Land diese Spitzenposition hält, liegt an einer Kombination aus Tradition und Hightech: altehrwürdige Rezepte treffen auf modernste Industrieanlagen. Aus einer einfachen Straßenmahlzeit wurde so ein Exportschlager, der Belgien den Titel „Imperium der gefrorenen Kartoffeln“ einbrachte.

Ein hochauflösendes Foto zeigt das Innere einer belgischen Fabrik für tiefgekühlte Pommes frites. Im Vordergrund laufen geschälte Kartoffeln über ein Förderband, während im Hintergrund Arbeiter in weißer Schutzkleidung und Masken die geschnittenen Pommes verpacken.


20 – Das Fritkot: Wenn Pommesbuden zum Kulturerbe werden

In Belgien ist die Pommesbude – das „Fritkot“ – mehr als nur ein Ort für Fast Food. Seit 2014 gilt sie offiziell als immaterielles Kulturerbe, erst in Flandern, später auch in Brüssel und der Wallonie. Damit wurde die Fritteuse zum nationalen Symbol.
Das Fritkot ist Treffpunkt für alle: Studierende, Familien, Nachtschwärmer. Hier stehen die Leute Schlange, um knusprige „Frites“ mit einer Auswahl an Dutzenden Soßen zu genießen. Es ist ein Ort der Geselligkeit, wo aus einer Portion Pommes ein Stück belgische Identität wird.

Ein fotorealistisches Bild zeigt ein traditionelles belgisches Fritkot in Brüssel. Im Vordergrund eine weiße Papiertüte voller goldener Fritten mit Mayonnaise, während Menschen vor dem Stand anstehen und andere an Tischen essen.


21 – Von Belgiens Hauptstadt zur Hauptstadt Europas

Brüssel ist weit mehr als nur Belgiens Regierungssitz – die Stadt ist das politische Herz Europas. Hier haben die Europäische Kommission, der Europäische Rat und der Rat der EU ihren Sitz. Auch wenn das Parlament offiziell in Straßburg tagt, findet der Großteil der Ausschussarbeit in Brüssel statt.
Seit 1967 ist die Stadt zudem das Hauptquartier der NATO, und zahlreiche internationale Organisationen wie die Weltzollorganisation oder Eurocontrol sind hier ansässig. Dazu kommen hunderte Botschaften und Lobbybüros.
Brüssel ist damit nicht nur Belgiens, sondern auch Europas Hauptstadt – ein globales Entscheidungszentrum, in dem täglich Politik, Wirtschaft und Diplomatie zusammenlaufen.

Reihe von EU-Flaggen weht vor dem modernen Glas- und Stahlbau des Berlaymont-Gebäudes im Europaviertel von Brüssel.


22 – Die belgische Flagge: Brabant in drei Streifen gewebt

Die Nationalflagge Belgiens wurde am 23. Januar 1831 nach der Unabhängigkeit eingeführt. Ihre Farben – Schwarz, Gelb und Rot – gehen auf das Wappen des Herzogtums Brabant zurück, das einen goldenen Löwen auf schwarzem Grund mit roter Zunge und roten Krallen zeigte.
Auffällig ist nicht nur die senkrechte Anordnung der Farben, sondern auch das ungewöhnliche Seitenverhältnis von 13:15, wodurch die Flagge breiter wirkt als die meisten Nationalflaggen. Schwarz steht dabei stets an der Mastseite, gefolgt von Gelb und Rot.
So erzählt das Tuch nicht nur von der Revolution und Unabhängigkeit, sondern trägt auch ein Stück mittelalterlicher Geschichte weiter – eine Flagge, die Vergangenheit und Gegenwart in sich vereint.

Die belgische Nationalflagge mit den vertikalen Streifen Schwarz, Gelb und Rot weht im Wind, Nahaufnahme mit klar sichtbarer Stofftextur.


23 – Brüssel: Eine Stadt, in der die Hälfte Ausländer sind

Brüssel ist ein globaler Schmelztiegel. Rund 50 % der Einwohner sind im Ausland geboren, und über ein Drittel besitzt keine belgische Staatsbürgerschaft. Die Mehrheit stammt aus der EU – etwa aus Frankreich, Italien, Spanien oder Osteuropa – doch auch Migranten aus Afrika, Asien und dem Nahen Osten prägen das Stadtbild.
Das Ergebnis ist eine wahrhaft kosmopolitische Hauptstadt: Auf den Straßen hört man Dutzende Sprachen, Restaurants bieten Küchen aus aller Welt, und Kinder wachsen mehrsprachig auf. Brüssel ist damit ein lebendiges Labor für das Zusammenleben unterschiedlichster Kulturen – ein Stück „Weltstadt“ im Herzen Europas.

Multikulturelle Kinder spielen lachend auf einem Platz in Brüssel, umgeben von historischer europäischer Architektur.


24 – Ein dunkles Erbe: Belgiens Kolonialgeschichte

1885 wurde die Kongofreistaat nicht Kolonie, sondern Privatbesitz von König Leopold II. Dort errichtete er ein grausames Ausbeutungssystem, vor allem für Kautschuk und Elfenbein. Misshandlungen, Zwangsarbeit und Verstümmelungen lösten internationalen Protest aus, bis 1908 der belgische Staat eingriff und die Verwaltung übernahm. Doch auch als Kolonie blieb der Kongo bis zur Unabhängigkeit 1960 geprägt von Unterdrückung und Gewalt.
Belgien kontrollierte außerdem Ruanda und Burundi, zunächst als Völkerbundmandat, später als UN-Treuhandgebiet, bis 1962.
Dieses koloniale Kapitel hinterließ ein schweres Erbe, das bis heute nachwirkt. 2020 äußerte König Philippe öffentlich „tiefes Bedauern“ über die Verbrechen, und die Regierung entschuldigte sich für die Rolle Belgiens bei der Ermordung von Patrice Lumumba. Die Rückgabe symbolischer Gebeine an seine Familie 2022 zeigt, wie präsent die koloniale Vergangenheit noch immer ist.

Historische Darstellung belgischer Kolonialzeit im Kongo, mit belgischen Beamten, lokalen Trägern und kolonialen Strukturen – ein Bild des dunklen Erbes, das Belgien bis heute begleitet.


25 – Von Saxophon bis Urknall: Belgische Erfindungen, die die Welt veränderten

Belgien mag klein sein, doch seine Erfinder haben Spuren in Musik, Wissenschaft und Technik hinterlassen. Adolphe Sax schuf in den 1840er-Jahren das Saxophon – ein Instrument, das Jazz und moderne Musik revolutionierte. Der Priester und Physiker Georges Lemaître formulierte 1927 die Theorie des „Uratoms“ – besser bekannt als Urknalltheorie –, die unser Verständnis des Universums veränderte.
1907 erfand Leo Baekeland Bakelit, den ersten vollsynthetischen Kunststoff, der eine neue Ära der Industrie einläutete. Und 2003 führte Belgien die elektronische Identitätskarte (eID) ein – ein Vorreiter der digitalen Verwaltung in Europa.
Diese Vielfalt an Innovationen zeigt, dass Belgien trotz seiner Größe immer wieder Ideen hervorbringt, die weltweit Wirkung entfalten.

Ein Stillleben in einer historischen Bibliothek: Ein goldenes Saxophon lehnt an einem Holzstuhl, ein Bakelit-Drehtelefon und eine belgische elektronische ID-Karte liegen auf dem Tisch, daneben aufgeschlagene Bücher im Hintergrund.


26 – Dreisprachig und doch zweigeteilt: Belgiens Sprachrealität

Belgien erkennt drei Amtssprachen an: Niederländisch (Flämisch), das von rund 60 % der Bevölkerung in Flandern gesprochen wird; Französisch, das in Wallonien dominiert und etwa 40 % umfasst; sowie Deutsch, das in einem kleinen Gebiet im Osten von etwa 1 % gesprochen wird.
Die Hauptstadt Brüssel ist offiziell zweisprachig (Französisch und Niederländisch), doch im Alltag überwiegt klar das Französische, während Niederländisch vor allem in Schulen und Behörden präsent bleibt. Dieses komplexe Sprachgefüge prägt Politik, Kultur und Identität – und macht Belgien zu einem faszinierenden Beispiel für das Miteinander mehrerer Sprachgemeinschaften in einem kleinen Land.

Eine Straßenszene in Brüssel mit zweisprachigen Straßenschildern auf Niederländisch und Französisch, typischen europäischen Gebäuden und Passanten, die durch das Zentrum der belgischen Hauptstadt gehen.


Was bleibt?

Mit diesen mehr als 25 Fakten zeigt sich Belgien in all seinen Facetten: als kulturelles Mosaik, als politisches Herz Europas und als Land, in dem Alltagstraditionen zu Symbolen nationaler Identität werden. Ob Schokolade, Schlösser oder Sprachenvielfalt – Belgien ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Geschichte, Kultur und Politik in einem kleinen Staat groß gelebt werden. Wenn dich dieser Überblick inspiriert hat, entdecke auch unsere weiteren Länderartikel und erweitere dein Wissen über die Vielfalt der Welt.

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