Die Ukraine ist ein Land voller Kontraste – von den goldenen Kuppeln Kiews bis zu den weiten Ebenen des Donbass, von jahrhundertealter Geschichte bis zu den aktuellen Schlagzeilen. Geprägt von wechselvoller Vergangenheit, kultureller Vielfalt und beeindruckender Widerstandskraft, überrascht dieses Land immer wieder mit Geschichten, die weit über die bekannten Klischees hinausgehen. In diesem Artikel entdecken Sie mehr als 25 faszinierende Fakten, die Ihnen die Ukraine in all ihren Facetten näherbringen – von kulinarischen Traditionen bis zu politischen Wendepunkten.
1. Vom Bildschirm ins echte Leben – die erstaunliche Geschichte von Selenskyj
Niemand hätte erwartet, dass der Komiker Wolodymyr Selenskyj einmal zum Kriegsführer in einer der komplexesten Krisen des modernen Europas werden würde. 1978 geboren, studierte er Jura, entschied sich jedoch für eine Karriere in der Unterhaltungsbranche und wurde mit seiner Serie Diener des Volkes bekannt, in der er einen Lehrer spielt, der nach einer spontanen Rede gegen Korruption Präsident wird. Diese Rolle blieb nicht nur Fiktion – 2019 wurde sie Realität, als Selenskyj mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde, getragen von der Botschaft des Wandels und des Kampfes gegen die politische Elite.
Mit Beginn der russischen Invasion 2022 stand er vor seiner größten Bewährungsprobe: Er weigerte sich, die Hauptstadt zu verlassen, und trat in Videos direkt aus dem Herzen Kyjiws auf, um den russischen Beschuss zu trotzen. So wurde er zur Stimme des Widerstands und zu einer inspirierenden Figur auf der internationalen Bühne.
2. Kyjiw – die Heldenstadt, die nicht siegte
Obwohl die Schlacht um Kyjiw 1941 mit einer katastrophalen Niederlage der sowjetischen Armee endete und über 600.000 Soldaten in deutsche Gefangenschaft gerieten, verlieh der Widerstand der Hauptstadtbewohner gegen Belagerung und Zerstörung der Stadt einen festen Platz im sowjetischen Gedächtnis. Als symbolische Geste verlieh die Sowjetunion Kyjiw 1965 den Titel „Heldenstadt“ – eine seltene Auszeichnung, die nur an Orte ging, die im Zweiten Weltkrieg außergewöhnlichen Widerstand geleistet hatten. Kyjiw gehört damit zu den wenigen Städten, die diese Ehrung nicht für einen Sieg, sondern für ihre Standhaftigkeit erhielten.
3. Das größte vollständig europäische Land – die Ukraine übertrifft Frankreich und Großbritannien
Auf den ersten Blick mag es auf der Karte nicht so erscheinen, doch die Ukraine ist das größte Land, das vollständig in Europa liegt – mit einer Fläche von über 603.000 Quadratkilometern. Damit ist sie größer als Frankreich, das an zweiter Stelle steht, und fast dreimal so groß wie das Vereinigte Königreich. Russland übertrifft zwar alle an Größe, doch ein erheblicher Teil seines Territoriums liegt in Asien, was die Ukraine zum geografischen Rekordhalter innerhalb Europas macht. Diese Ausdehnung verleiht ihr eine beeindruckende landschaftliche Vielfalt – von den fruchtbaren Ebenen im Zentrum bis zu den südlichen Küsten am Schwarzen Meer.
4. Die tiefste Station Europas – ein nuklearer Bunker als U-Bahn
Im Herzen der Hauptstadt Kyjiw liegt die Metrostation Arsenalna, die mit einer Tiefe von 105,5 Metern als tiefste U-Bahn-Station Europas und der ehemaligen Sowjetunion gilt. Diese Tiefe ist nicht nur eine Zahl, sondern ein Erlebnis: Fahrgäste werden auf langen, fast endlos erscheinenden Rolltreppen in die Dunkelheit unter der Erde befördert.
Gebaut wurde die Station 1960 während des Kalten Krieges – ihre Tiefe war Teil einer Verteidigungsstrategie, um im Falle eines möglichen Atomangriffs als sicherer Zufluchtsort zu dienen. Auch die Lage der Stadt am Dnepr machte einen besonders tiefen Bau nötig, um die steilen Uferhänge zu überwinden. Bis heute beeindruckt die Arsenalna Besucher und gilt als eines der versteckten Highlights des Kyjiwer U-Bahnnetzes.
5. Feuchtgebiete im Herzen des Konflikts – Naturschutz in der Ukraine
Seit dem Beitritt zum Ramsar-Abkommen im Jahr 1991 hat der Schutz von Feuchtgebieten in der Ukraine hohe Priorität. Heute verfügt das Land über 50 international anerkannte Ramsar-Gebiete mit einer Gesamtfläche von mehr als 800.000 Hektar, die sich vor allem rund um das Schwarze Meer, das Asowsche Meer und das Dnipro-Delta konzentrieren. Diese Gebiete sind Lebensraum für Zugvögel und empfindliche Ökosysteme, die besonderen Schutz benötigen – gerade angesichts klimatischer Herausforderungen und militärischer Konflikte. Das Engagement der Ukraine für das Ramsar-Abkommen zeigt sich nicht nur in der Unterschrift, sondern auch in kontinuierlichen Anstrengungen zum Erhalt der Biodiversität und des ökologischen Gleichgewichts.
6. Boden, der keinen Dünger braucht – das Wunder der Tschernosem
Die Bezeichnung ist keineswegs nur symbolisch: Die Ukraine trägt den Beinamen „Kornkammer der Welt“, weil sie über eine der fruchtbarsten Böden der Erde verfügt – die Schwarzerde oder Tschernosem. Diese nährstoffreiche Erde bedeckt mehr als zwei Drittel des Landes und erreicht in manchen Regionen eine Mächtigkeit von bis zu zwei Metern. Dank ihrer natürlichen Fruchtbarkeit kann die Ukraine enorme Mengen an Weizen, Mais und Sonnenblumen produzieren – ohne große Mengen an Düngemitteln einsetzen zu müssen. Diese geologische Gabe macht die Ukraine zu einem Schlüsselakteur in der globalen Ernährungssicherheit, trotz aller Herausforderungen und Konflikte.
7. Kiewer Rus – die tiefen Wurzeln der slawischen Identität der Ukraine
Die Ursprünge der Ukraine reichen tief in die slawische Geschichte zurück. Im 9. Jahrhundert gründeten ostslawische Stämme den ersten einheitlichen Staat, bekannt als „Kiewer Rus“, mit Kyjiw als Hauptstadt. Dieses Reich war nicht nur ein politisches Gebilde, sondern auch ein kulturelles und zivilisatorisches Zentrum, das die Grundlagen der slawischen Identität in Osteuropa prägte.
Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christus siedelten slawische Stämme in den Gebieten zwischen Mitteleuropa und Nordasien. Doch das, was in der Ukraine entstand, war einzigartig: eine Nation, die Sprache, Traditionen und ein kollektives Bewusstsein verband – und dies trotz der großen historischen Umwälzungen über Jahrhunderte bewahrte.
8. Weiblichkeit, die Veränderung bewirkt – die Geschichte der Ukrainerinnen in unruhigen Zeiten
Ukrainerinnen werden in internationalen Rankings oft zu den schönsten Frauen der Welt gezählt – so etwa vom Magazin Traveler’s Digest, das die Schönheit der Frauen in Kyjiw als „kaum zu glauben“ beschrieb. Doch ihr Beitrag geht weit über das Äußere hinaus: Frauen sind in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent – von der Parlamentsarbeit und politischem Aktivismus bis hin zu ehrenamtlichem Engagement und Bildung.
Diese Mischung aus Schönheit, Bildung und Tatkraft hat die ukrainische Frau zu einem weltweiten Symbol gemacht, das Stereotype übersteigt und ihre zentrale Rolle beim Aufbau einer modernen und ausgewogenen Gesellschaft widerspiegelt.
9. Im Krieg zerstört – Antonow, eine unsterbliche Legende
Mit der Antonow An-225 „Mrija“ schrieb die Ukraine Luftfahrtgeschichte. Dieses Flugzeug war das schwerste und größte der Welt, mit einer Nutzlastkapazität von 250.000 Kilogramm und einem Startgewicht von über 640 Tonnen. Ursprünglich wurde es von der Antonow-Werft entwickelt, um das sowjetische Space Shuttle „Buran“ zu transportieren, und wurde später für humanitäre Missionen und den Transport von Übergrößenfracht weltweit eingesetzt.
Doch dieses technische Wunder wurde im Februar 2022 während der russischen Invasion in der Nähe von Kyjiw auf dem Flughafen Hostomel zerstört. Trotz dieses Verlusts kündigte die Ukraine an, das Flugzeug wiederaufzubauen – als Symbol technologischer Meisterleistung, nationaler Widerstandskraft und der Hoffnung auf Wiederaufbau.
10. Eine Eisenbahn wird zur grünen Romanze
Mitten in den dichten Wäldern nahe der Stadt Klevan im Westen der Ukraine verläuft der sogenannte „Tunnel der Liebe“ – eine Eisenbahnstrecke, die wie aus einem Märchen wirkt. Auf einer Länge von drei bis fünf Kilometern bilden die Bäume zu beiden Seiten einen geschlossenen, smaragdgrünen Bogen. Obwohl die Strecke noch teilweise zum Transport von Holz genutzt wird, hat der seltene Zugverkehr über die Jahre einen natürlichen Korridor geformt, der heute als romantisches Ausflugsziel gilt.
Paare aus aller Welt kommen hierher, angelockt von der Legende, dass ein Wunsch, der im Tunnel aufrichtig ausgesprochen wird, in Erfüllung geht. Der „Tunnel der Liebe“ ist somit nicht nur ein Naturwunder, sondern auch ein Symbol dafür, wie Zeit und Natur gemeinsam Schönheit erschaffen.
11. Tschernobyl – die Nuklearkatastrophe, die die Ukraine und die Welt veränderte
Am Morgen des 26. April 1986 explodierte Reaktor 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl, etwa 100 Kilometer nördlich von Kyjiw. Es war nicht nur ein Unfall, sondern die schwerste Nuklearkatastrophe der Geschichte, die radioaktive Wolken über weite Teile der Ukraine, Belarus und Russlands trieb. Eine 30-Kilometer-Sperrzone wurde eingerichtet, doch die Strahlenbelastung reichte weit darüber hinaus und kontaminierte Land, Wasser und Luft für Jahrzehnte.
Über 90.000 Menschen wurden evakuiert, und während sofortige Todesopfer dokumentiert wurden, bleibt die tatsächliche Opferzahl aufgrund langfristiger Krankheiten umstritten. Heute ist Tschernobyl ein weltweites Symbol für nukleare Risiken – aber auch ein stiller Beweis dafür, wie sich die Natur erholen kann, wenn der Mensch verschwindet.
12. Sikorsky – der Ukrainer, der den Traum vom senkrechten Flug verwirklichte
Aus Kyjiw stammt einer der größten Luftfahrtpioniere des 20. Jahrhunderts: Igor Sikorsky. Bereits 1909 experimentierte er in der Ukraine mit Hubschraubern, bevor er in die USA emigrierte. Dort entwickelte er 1939 den ersten praxistauglichen Hubschrauber und brachte später mit der Sikorsky R-4 das erste in Serie produzierte Modell auf den Markt.
Dank seiner Vision und Beharrlichkeit wurde der senkrechte Flug Realität – eine Innovation, die unzählige Leben rettete und die moderne Luftfahrt nachhaltig veränderte.
13. Nicht links – warum Ukrainer den Ehering an der rechten Hand tragen
Anders als in vielen Teilen der Welt tragen Ukrainer ihren Ehering nicht an der linken, sondern an der rechten Hand. Diese Tradition hat tiefe Wurzeln in der orthodoxen Kultur, in der die rechte Hand als Symbol für Stärke, Reinheit und Segen gilt. Während der Hochzeitszeremonie wird der Ring an den vierten Finger der rechten Hand gesteckt und bleibt dort als dauerhaftes Zeichen von Bindung und Treue.
Ändert sich der Familienstand – etwa durch den Tod eines Partners – wird der Ring an die linke Hand gewechselt, als Ausdruck von Trauer und bleibender Verbundenheit. Dieses schlichte Ritual trägt eine tiefe Symbolik und spiegelt die Wertschätzung der Ehe als heiligen Bund in der ukrainischen Gesellschaft wider.
14. Warum Ukrainer auf der Straße nicht oft lächeln
Trotz herzlicher Gastfreundschaft und warmer Begrüßung im privaten Umfeld gehört das Lächeln im öffentlichen Raum nicht zur alltäglichen Kultur in der Ukraine. Im Gegensatz zu westlichen Gesellschaften wird es nicht als höfliche Geste oder soziale Floskel verwendet, sondern bleibt besonderen, echten Momenten vorbehalten.
Ein „leeres“ Lächeln ohne Anlass wird oft als unangebracht oder sogar verdächtig empfunden. Daher wirken Ukrainer im Straßenbild manchmal ernst – was jedoch nicht Kälte bedeutet, sondern den Respekt vor Aufrichtigkeit und Privatsphäre. In ihrer Kultur hat das Lächeln einen echten Wert und wird nicht wahllos verteilt.
15. Die Wyshywanka – ein besticktes Hemd erzählt die Geschichte der Ukraine
Die Wyshywanka ist die ukrainische Nationaltracht, ein schlichtes, aber kunstvoll von Hand besticktes Hemd. Die feinen Stickereien – oft mit floralen oder geometrischen Mustern – variieren in Stil und Farbe je nach Region.
Dieses Kleidungsstück wird nicht nur zu traditionellen Festen getragen, sondern hat sich zu einem lebendigen Symbol nationaler Identität entwickelt, besonders in Krisenzeiten. Während der Sowjetzeit galt das Tragen einer Wyshywanka als stiller Akt des Widerstands gegen kulturelle Assimilation. Heute wird am „Tag der Wyshywanka“ jeden dritten Donnerstag im Mai die Straße zu einem Meer aus Farben und Mustern – Ausdruck von Stolz, Zusammenhalt und kulturellem Erbe.
16. Europa blickt nach Osten – und die Ukraine liegt immer in der Mitte
Die Ukraine ist eines der größten Länder Europas, mit einer Fläche von über 603.000 Quadratkilometern, und gehört damit zu den Top 50 der größten Staaten weltweit. Ihre Lage in Osteuropa verschafft ihr Landgrenzen zu sieben Staaten: Belarus, Russland, Moldau, Rumänien, Ungarn, der Slowakei und Polen.
Im Süden verfügt das Land über Küsten am Schwarzen Meer und am Asowschen Meer – strategische Zugänge zu Handels- und Energierouten. Diese besondere geografische Lage macht die Ukraine zu einem wichtigen Balancepunkt zwischen Ost- und Westeuropa sowie zwischen Land- und Seewegen.
17. Ein großes Land, aber nicht überfüllt
Trotz ihrer Größe von mehr als 603.000 Quadratkilometern hat die Ukraine nur rund 39 Millionen Einwohner und zählt damit zu den am dünnsten besiedelten Ländern Europas. Die meisten Menschen leben in großen Städten, allen voran in der Hauptstadt Kyjiw, während weite Landstriche ländlich und dünn besiedelt bleiben.
Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei etwa 71,8 Jahren, mit einem deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern – Männer leben im Schnitt mehrere Jahre kürzer als Frauen.
18. Von Kyjiw bis Lwiw – die ukrainische Sprache verbindet das Land
Trotz kultureller und ethnischer Vielfalt ist Ukrainisch die einzige Amtssprache des Landes und wird von der großen Mehrheit der Bevölkerung als Erst- oder Zweitsprache gesprochen. Etwa 77,8 % der Einwohner sind ethnische Ukrainer, rund 17 % ethnische Russen.
Russisch hat keinen offiziellen Status, wird aber vor allem im Osten und Süden häufig gesprochen und verstanden. Ukrainisch gehört zur Familie der ostslawischen Sprachen und ähnelt zwar dem Russischen, ist in Grammatik und Wortschatz jedoch näher mit Polnisch und Belarussisch verwandt. Diese sprachliche Eigenständigkeit ist Ausdruck einer gefestigten nationalen Identität, die trotz historischer Assimilationsversuche bewahrt wurde.
19. Der tiefe Glaube des Landes – wie die Orthodoxie die Ukraine geprägt hat
Die christlich-orthodoxe Kirche ist die wichtigste religiöse Säule der Ukraine: Zwischen 67 % und 73 % der Bevölkerung gehören ihr an, verteilt auf verschiedene Kirchen, vor allem die unabhängige Orthodoxe Kirche der Ukraine und die der Moskauer Patriarchie. Daneben machen griechisch- und römisch-katholische Christen etwa 10 % der Bevölkerung aus, insbesondere im Westen des Landes.
Es gibt zudem aktive protestantische Gemeinschaften, darunter Baptisten und Siebenten-Tags-Adventisten, die etwa 2 % stellen. Neben dieser christlich geprägten Mehrheit existieren auch andere Religionen: Muslime – hauptsächlich Krimtataren – machen rund 0,5–1 % aus, Juden weniger als 0,5 %, aber mit einer langen Geschichte im Land. Auch Buddhismus, Hinduismus und Bahaitum sind in kleinen Gruppen vertreten.
20. Vom russischen Gas bis zur Schwerindustrie – Schlüssel zum Reichtum der Ukraine
Die ukrainische Wirtschaft stützt sich stark auf ihre reichen natürlichen Ressourcen, insbesondere im Energie- und Metallsektor. Obwohl das Land einen Teil seines Öl- und Gasbedarfs selbst deckt, war es historisch stark von russischem Erdgas abhängig, das über ein weit verzweigtes Pipeline-Netz importiert wird – ein Teil davon transportiert russisches Gas weiter nach Westeuropa.
Diese Infrastruktur macht die Ukraine zu einem zentralen Akteur in der europäischen Energiesicherheit. Zugleich ist die Eisen- und Stahlproduktion eine tragende Säule des Landes: Die Ukraine liegt weltweit auf Platz acht bei der Produktion und auf Platz drei beim Export. Diese Schwerindustrie hat enorme wirtschaftliche Bedeutung – und ebenso großen Einfluss auf Umwelt und Geopolitik.
21. Die größte Minderheit – Russen in der Ukraine
Mit einem Anteil von rund 17,3 % der Bevölkerung bilden ethnische Russen die größte Minderheit im Land (Zensus 2001). Obwohl Ukrainisch die einzige Amtssprache ist, sprechen etwa 30 % der Einwohner Russisch als Muttersprache, vor allem im Osten und Süden.
Diese sprachliche Präsenz ist das Ergebnis einer langen gemeinsamen Geschichte, schmälert jedoch nicht die wachsende nationale Selbstbehauptung der Ukraine – besonders seit dem politischen und militärischen Konflikt mit Russland in den letzten Jahren.
22. Geteilte Vergangenheit, unverzichtbares Bündnis – Polen und die Ukraine heute
Polen zählt heute zu den wichtigsten Verbündeten der Ukraine im Krieg gegen Russland, doch die gemeinsame Geschichte ist von tiefen Narben geprägt. Besonders die Massaker von Wolhynien in den 1940er-Jahren, bei denen zehntausende Polen durch ukrainische Nationalisten getötet wurden, belasten das historische Gedächtnis bis heute.
Trotz dieser Vergangenheit war Polen 1991 eines der ersten Länder, das die Unabhängigkeit der Ukraine anerkannte, und unterstützte sie nach 2022 politisch wie militärisch. Die Spannungen sind jedoch nicht völlig verschwunden und treten gelegentlich in Fragen von Migration, Handel oder historischer Erinnerung zutage. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist ein Beispiel dafür, wie politische Allianzen trotz komplexer Vergangenheit bestehen können.
23. Mariupol – die belagerte Stadt, die auf Wiedergeburt wartet
Mariupol am Asowschen Meer war einst eine der industriell blühendsten Städte der Ukraine, bekannt für ihre Stahlwerke, kulturelle Vielfalt und strategische Lage. 2022 wurde sie jedoch zum Schauplatz einer der brutalsten Episoden des Krieges, als eine über 80 Tage andauernde Belagerung rund 90 % der Gebäude zerstörte – darunter das Kinderkrankenhaus und das Drama-Theater, in dem Hunderte starben.
Nach der russischen Eroberung begann ein umstrittener Wiederaufbau, begleitet von Straßennamenänderungen und einer Anpassung der Lehrpläne an die russische Darstellung. Die verbliebenen Bewohner leben unter harten Bedingungen, mit Wassermangel, zerstörter Infrastruktur und strenger Kontrolle. Vertriebene träumen von einer Rückkehr, während Exil-Ukrainer bereits an Plänen für den Wiederaufbau arbeiten.
24. Die Krim – zweimal in zwei Jahrhunderten von Russland genommen
Die Krim ist einer der umstrittensten Landstriche Osteuropas – und wurde von Russland innerhalb von zwei Jahrhunderten gleich zweimal annektiert. 1783 fiel die Halbinsel nach dem Sturz des Krim-Khanats, das zuvor zum Osmanischen Reich gehört hatte, an das Russische Kaiserreich und wurde zu einer strategischen Schwarzmeerbasis.
Über 230 Jahre später, 2014, wiederholte sich die Geschichte: Russland übernahm nach einer militärischen Intervention und einem international nicht anerkannten Referendum erneut die Kontrolle über die Krim – ein Schritt, den die meisten Staaten bis heute ablehnen.
25. Alkohol als fester Bestandteil des Alltags
Auch wenn die Ukraine nicht zu den Ländern mit dem weltweit höchsten Alkoholkonsum pro Kopf zählt, ist diese Gewohnheit tief in der Gesellschaft verankert. Laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation trinken 77,4 % der Erwachsenen in der Ukraine Alkohol, mehr als die Hälfte davon regelmäßig – mindestens einmal im Monat. Bemerkenswert ist, dass der Anteil der Menschen, die exzessiv trinken, 2024 auf 54,2 % gestiegen ist, einer der höchsten Werte in Osteuropa. Das macht die Ukraine zwar nicht zur Spitzenreiterin in absoluten Mengen, doch Alkohol gilt hier eindeutig als selbstverständlicher Teil des Alltags, besonders bei gesellschaftlichen Anlässen.
26. Donbass – das Kohlerevier, das zum Kriegsschauplatz wurde
Der Donbass im Osten der Ukraine war jahrzehntelang das industrielle Herz des Landes, reich an hochwertiger Steinkohle. Das „Donezbecken“ versorgte die sowjetische Wirtschaft und lieferte Energie für die Schwerindustrie in Osteuropa. Doch seit 2014 hat sich diese einst blühende Region in eine offene Frontlinie verwandelt, als der Krieg zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Truppen ausbrach.
Mit der russischen Invasion 2022 verschärften sich die Kämpfe in Städten wie Wuhledar: Kohleminen wurden zu Schützengräben, Fabrikanlagen zu Ruinen. Neben dem menschlichen Leid droht nun auch eine ökologische Katastrophe, da Schadstoffe aus überfluteten Minen in Boden und Grundwasser gelangen – mit langfristig verheerenden Folgen.
27. Die Orangene Revolution – als die Ukraine Nein zu Moskau sagte
Im Winter 2004 füllte sich der Unabhängigkeitsplatz in Kiew mit einer Menschenmenge in Orange, die sich gegen das umstrittene Ergebnis einer Präsidentschaftswahl stellte, das dem moskaufreundlichen Kandidaten Wiktor Janukowytsch den Sieg zusprach. Orange war die Farbe der Kampagne seines Gegners Wiktor Juschtschenko, doch sie wurde zum Symbol des Volkszorns und des Wunsches nach Unabhängigkeit von russischem Einfluss und innerer Korruption.
Wochenlang hielten friedliche Proteste und Massenkundgebungen an, bis die Behörden gezwungen waren, die Wahl zu annullieren und eine Neuwahl abzuhalten – die Juschtschenko schließlich in einer freien und fairen Stichwahl gewann.
Was bleibt?
Die Ukraine ist weit mehr als ein Konfliktschauplatz in den Nachrichten – sie ist ein Land mit lebendiger Kultur, starker Identität und einem unbeugsamen Willen, die eigene Zukunft zu gestalten. Wer genauer hinsieht, entdeckt eine faszinierende Mischung aus Geschichte, Natur, Menschen und Visionen. Ob in den belebten Straßen von Lwiw, den weiten Landschaften der Karpaten oder den historischen Gassen von Odessa – die Ukraine erzählt Geschichten, die bewegen und inspirieren.